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11.07.2014

Gutes Wasser ist nicht nur eine Aufgabe für Ingenieure

Neue Techniken bannen Spurenstoffe, brauchen aber mehr Energie

Über Spurenstoffe im Wasserkreislauf wird viel diskutiert, auch, weil modernste Analytik immer geringere Konzentrationen im Nano-(Milliardstel) Bereich nachweisen kann. Denn auch die modernste biologische Abwasserbehandlung vermag nicht alle Substanzen vollständig aus dem Wasser zu entfernen. So gelangen verschiedene Stoffe in Spuren, darunter auch einige Arzneimittel oder deren Rückstände, in die Umwelt. In den Gewässern werden diese Stoffe weiter verdünnt und oft auch abgebaut. Dennoch erreichen vereinzelt Verbindungen wie etwa der künstliche Süßstoff Acesulfam oder das in Geschirrspülmittel eingesetzte Benzotriazol die Brunnen der Trinkwassergewinnung.

Solche organischen Spurenstoffe lassen sich mit Aktivkohle oder Ozon wirksam aus dem Wasserkreislauf entfernen. Für die Wahl der Technik sind auf einer soliden Stoffbewertung basierende Ziele unerlässlich. Das sind die Kernergebnisse des Forschungsprojekts ASKURIS (Anthropogene Spurenstoffe und Krankheitserreger im urbanen Wasserkreislauf: Bewertung, Barrieren und Risikokommunikation), die eine neue Basis für sachliche Diskussionen bieten. ASKURIS ist ein gemeinsames Projekt der TU Berlin und der Berliner Wasserbetriebe sowie weiterer Partner und wird durch das Bundesforschungsministerium gefördert.

Die Analytik ist der Bewertung noch weit voraus

Die Wissenschaft hat noch keine schädigenden Wirkungen von Spurenstoffen auf den Menschen belegt. Deshalb gibt es für diese auch keine verbindlichen Grenzwerte in der Trinkwasserverordnung. Sie ist eine der strengsten Lebensmittel-Vorschriften und wird stetig neuem medizinischem Wissen angepasst. Gleichwohl gilt in der deutschen Wasserwirtschaft das Minimierungsgebot. "Viele Spurenstoffe können durch zusätzliche technische Verfahren zurückgehalten werden", erklärt ASKURIS-Projektleiter Prof. Dr.-Ing. Martin Jekel vom Fachgebiet Wasserreinhaltung an der TU Berlin. "Die Kosten und die Auswahl des Verfahrens hängen aber neben der Wasserzusammensetzung ganz wesentlich von den Aufbereitungszielen ab, also davon, welcher Stoff aus welchem gesicherten Grund bis zu welchem Grad entfernt werden soll."

ASKURIS: Neue Verfahren im Praxistest am Tegeler See

Als Praxispartner erproben die Berliner Wasserbetriebe solche Verfahren zur Spurenstoffentfernung u. a. in der Oberflächenwasseraufbereitungsanlage Tegel. Dabei zeigt sich, dass ein Großteil der widerstandsfähigsten Substanzen mit Aktivkohle entweder in der Kläranlage oder bei der Behandlung von See- oder Flusswasser oder aber bei der Trinkwasseraufbereitung vollständig aus dem Wasser entfernt werden kann. Je nach Wasserzusammensetzung variieren die Einsatzmengen von Aktivkohle und somit die Kosten und die indirekten Auswirkungen auf die Umwelt. Eine Umwandlung von Arzneimittelrückständen durch Ozon in unbedenkliche Abbauprodukte und deren anschließende biologische Entfernung ist eine weitere Möglichkeit der vorsorgenden Spurenstoffentfernung. Die ASKURIS-Ergebnisse bieten eine neue Entscheidungsmatrix, die jedem zu entfernenden Stoff ein Verfahren mit Technik, Kohle-, Ozon- und Energieeinsatz sowie finanziellen Kosten zuordnet.

Wasserwirtschaft leistet viel, aber Wirtschaft und Bürger müssen auch ihren Teil tun

"Die Entscheidung für eine solche Investition setzt aber eine gesellschaftliche Übereinkunft über Relevanzen und Ziele sowie die Mitwirkung der Pharma-Branche, der Medizin und auch der Bürger voraus", erklärt Jörg Simon, Vorstandsvorsitzender der Berliner Wasserbetriebe, "denn auch zusätzliche Aufbereitungstechnik in der Wasserwirtschaft wird in keinem Fall jeden möglichen Spurenstoff entfernen können."

"Wir möchten dauerhaft bei der chemiefreien, naturnahen Trinkwasseraufbereitung bleiben", so Jörg Simon. "Damit das gelingt, müssen bei der Zulassung, Anwendung und Entsorgung von Medikamenten und Chemikalien deren Folgen für den Wasserkreislauf stärker berücksichtigt werden. Andernfalls ist die Tilgung dieser Stoffe aus dem Wasser entweder nicht oder nur mit sehr hohem Zusatzaufwand an Energie und Ressourcen möglich."

Natürlich stellen sich auch die Berliner Wasserbetriebe ihrer Verantwortung für die Ressource durch langjährige Forschung im eigenen Haus und in Kooperationen.

Hintergrund RiSKWa: Der Bund fördert mit 30 Millionen Euro

ASKURIS ist eines von bundesweit zwölf Forschungsprojekten im Rahmen der Fördermaßnahme RiSKWa (Risikomanagement von neuen Schadstoffen und Krankheitserregern im Wasserkreislauf), die der Bund mit insgesamt ca. 30 Mio. Euro unterstützt und die im Frühjahr 2015 abgeschlossen werden sollen.

Kooperationspartner der Berliner Wasserbetriebe bei ASKURIS sind die TU Berlin, das Umweltbundesamt, der Zweckverband Landeswasserversorgung Stuttgart, das Helmholtz Zentrum für Umweltforschung Leipzig und das Kompetenzzentrum Wasser Berlin.

Spurenstoff-Entfernung geht nun in Serien-Test