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06.12.2011

Nicht klar, was gilt: Bundeskartell- oder Landesgesetze?

Wasserbetriebe reklamieren verbindlich sichere Kalkulationsvorgaben

Die Berliner Wasserbetriebe prüfen derzeit die Abmahnung, die das Bundeskartellamt gestern übersandt hat. Darin fordert die Bonner Behörde, den Berliner Trinkwassertarif ab 2012 um 36 Cent je Kubikmeter zu senken. Gleichzeitig ist das Amt damit einigen Argumenten gefolgt, die die Wasserbetriebe im Verlauf des fast zwei Jahre währenden Verfahrens vorgebracht hatten. Anfang des Jahres hatte das Kartellamt noch eine Senkung um 51 Cent in den Raum gestellt.

Grundsätzlich gilt, dass das Unternehmen seine Tarife auf Basis der detaillierten landesgesetzlichen Vorgaben kalkulieren muss. Daher müsse festgestellt werden, ob mit der Anwendung von Bundeskartellrecht in die gesetzlichen Rechte des Landes Berlin eingegriffen werden kann. Um hier wieder Eindeutigkeit herzustellen, hat der Vorstand der Berliner Wasserbetriebe im Frühjahr 2011 eine Feststellungsklage eingereicht, die derzeit beim OVG Münster zur Entscheidung steht.

„Wir sind nicht gegen Veränderungen des Tarifs“, so Vorstandsvorsitzender Jörg Simon, „für uns ist aber die rechtliche Klarstellung unabdingbar. Durch das Vorgehen des Bundeskartellamts sitzt der Vorstand des Unternehmens zwischen den rechtlichen Stühlen.“

Die Öffentlichkeit erwartet Preisveränderungen beim Berliner Wasser. Dafür müssen jedoch rechtliche Veränderungen herbeigeführt werden. Die Wasserbetriebe gehen davon aus, dass jetzt nach der Bildung des neuen Berliner Senats auch die Gespräche zwischen den Gesellschaftern in Gang kommen.

In der Hauptstadt gelten enge gesetzliche Vorgaben und Preisprüfung durch Behörde

Die Berliner Wasserpreise gehören zu den am strengsten kontrollierten Tarifen in Deutschland. Nirgendwo in Deutschland ist das Netz der gebührenrechtlichen Vorgaben so dicht gewoben wie in den gesetzlichen Vorgaben, an die die Wasserbetriebe gebunden sind. Das Berliner Betriebe-Gesetz und die Wassertarif-verordnung verpflichten das Unternehmen, die Tarife so zu kalkulieren, dass die daraus resultierenden Einnahmen die Kosten decken.

Darüber hinaus regeln diese gesetzlichen Vorschriften detailliert, welche Kosten dabei berücksichtigt werden müssen. Der Vorstand der Wasserbetriebe ist bei der Tarifkalkulation daran gebunden. Verfährt er anders, handelt er ungesetzlich. In mehr als 30 Verfahren vor allen Formen der Berliner Gerichtsbarkeit von Amts- über Verwaltungsgerichte bis zum Verfassungsgericht sind die Korrektheit der Berliner Wassertarif-Kalkulationen in den vergangenen Jahren überprüft worden – stets mit der Bestätigung richtiger Arbeit.

Da die Preisermittlung durch Landesgesetz vorgegeben ist, erfolgt auch die Preismissbrauchskontrolle durch eine Landesbehörde. Denn alle Tarife werden vor Genehmigung durch die Berliner Preisprüfungsbehörde – bisher bei der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz – überwacht. Eine zusätzliche Kontrolle auf Basis des Bundeskartellrechts ist daher nicht möglich – eine Einschätzung, die auch die Berliner Landeskartellbehörde bereits im März 2010 äußerte. Die Berliner Wasserbetriebe haben daher gegen die Anwendbarkeit des Bundeskartellrechts geklagt, um die Frage der bindenden Rechtsgrundlage grundsätzlich zu klären.
 
„Durch das Vorgehen des Bundeskartellamts sitzt der Vorstand des Unternehmens zwischen den rechtlichen Stühlen“ stellt Jörg Simon, Vorstandsvorsitzender der Berliner Wasserbetriebe, fest. Bislang, und das in Berlin wie in jeder anderen deutschen Stadt so, gelten die jeweiligen Kommunalabgabengesetze. Jetzt ist nicht mehr klar, was gilt, Bundeskartell- oder Landesrecht.

„Das ist für den Vorstand, das Unternehmen und seine Kunden ein untragbarer Zustand“, so Simon. Um hier wieder Eindeutigkeit herzustellen, hat der Vorstand der Berliner Wasserbetriebe im Frühjahr 2011 eine Feststellungsklage eingereicht.

Vergleichsstädte haben andere Rahmenbedingungen

Auch inhaltlich kann das Unternehmen den Aussagen des Bundeskartellamts zur Höhe der Wasserpreise nicht zustimmen, die auf einem Vergleich mit den Preisen in Hamburg, München und Köln fußen. Ein irreführender Vergleich, da die Voraussetzungen in diesen drei Städten deutlich günstiger sind als in Berlin.

Die Kosten der Wiedervereinigung, gesetzliche Vorgaben sowie der in diesen Vergleichsstädten am stärksten gesunkene Wasserverbrauch konfrontieren die Berliner Wasserbetriebe mit Rahmenbedingungen, die unternehmerisch nicht zu beeinflussen sind. Diese Rahmenbedingungen sind strukturell bedingt oder politisch bzw. durch die Gesellschafter definiert, so dass hier keine unternehmerischen Gestaltungsräume vorliegen.

Tatsächlich legt die aktuelle Rechtsprechung den Schluss nahe, dass das Bundeskartellrecht im Falle der Berliner Wasserbetriebe keine Anwendung finden könne. So hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf im Falle eines öffentlich-rechtlichen Wasserversorgers aus Brandenburg in einer Entscheidung vom 8. Dezember 2010 darauf hingewiesen, dass das Kartellrecht „nicht anwendbar (ist), wenn der Wasserversorger die Verbraucher aufgrund öffentlich-rechtlicher Rechtsbeziehungen auf der Grundlage eines Anschluss- und Benutzungszwangs mit Trinkwasser versorgt“. Genau dies ist in Berlin der Fall.

Das OLG Frankfurt hat diese Rechtsauffassung in einem Beschluss vom 20. September 2011 erst jüngst bestätigt. Auch Rechtsgutachten renommierter Verwaltungsjuristen teilen diese Ansicht.

Das Unternehmen hat nun bis zum 11. Januar 2012 Zeit, gegenüber dem Bundeskartellamt erneut Stellung zu nehmen.