Viren und Trinkwasser
Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Corona-Virus über das Trinkwasser übertragen wird. Trotzdem lohnt es sich, ein wenig über diese kleinen Krankheitserreger zu wissen.
Was sind Viren?
Viren sind winzig, etwa 15 bis 440 Nanometer (das sind Milliardstel Millimeter) groß. Sie bestehen im Wesentlichen aus DNA, Erbinformation, die von Proteinen (Eiweißen) umgeben sind. Manche haben eine zusätzliche Hülle aus Lipiden (Fetten). Viren haben keinen eigenen Stoffwechsel und können sich nicht selbst vermehren. Sie sind deshalb auf einen Wirt angewiesen, das ist ein Organismus, den die Viren befallen und zur Vermehrung nutzen. Das können Menschen, Tiere, Pflanzen und Bakterien sein. Viren, die den Menschen befallen, werden humanpathogene Viren genannt.
Wie verbreiten sie sich?
Viren verbreiten sich auf unterschiedlichen Wegen: zum Beispiel über die Luft, durch sogenannte Tröpfcheninfektionen wie bei der Grippe, auch eine Kontaktinfektion durch Berührung ist möglich (Herpes), etwa durch verunreinigte Oberflächen oder Kontakt von Mensch zu Mensch. Auch Lebensmittel können Viren übertragen. Allerdings sind Viren außerhalb ihres Wirtsorganismus oft nur kurze Zeit stabil. Das heißt, sie können auf einer anderen Oberfläche, etwa einem Bushaltegriff, nicht unbegrenzt überleben.
Wie schützt sich der menschliche Körper?
Das menschliche Immunsystem schützt uns vor Viruserkrankungen. Sogenannte Fresszellen erkennen Viren anhand ihrer Oberfläche und vertilgen sie. Wenn der Körper die Virusinfektion überstanden hat, bildet er Gedächtniszellen, die sich an diesen speziellen Virusstamm erinnern und ihn bei einer erneuten Infektion sofort bekämpfen. So funktionieren auch Impfungen, bei dem abgeschwächte/tote Viren oder Virusbestandteile in den Körper injiziert werden.
Allerdings verändern manche Viren ihre Oberflächenstruktur sehr schnell. Das ist zum Beispiel von Grippeviren bekannt. Die veränderten Oberflächen können dann von den Gedächtniszellen nicht erkannt werden, das Immunsystem kann nicht frühzeitig reagieren. Deshalb enthalten zum Beispiel Grippeimpfungen mehrere Virenstämme und werden jedes Jahr auf die mit der häufigsten Ver-breitung abgestimmt.
Können Viren über das Trinkwasser übertragen werden?
Prinzipiell können zwar Viren auch über das Trinkwasser übertragen werden – allerdings besteht dieses Übertragungspotenzial nur für einen kleinen Teil der humanpathogenen Viren, nämlich solche, die über das Abwasser in die Umwelt gelangen und so stabil sind, dass sie auch in dieser Umgebung für längere Zeit noch ansteckend sind. Das trifft im Wesentlichen auf die Gruppe der unbehüllten Viren zu. Diese weisen meist einen hohen Spezialisierungsgrad, was ihren Wirt betrifft, und eine geringe Infektionsdosis auf. Sie werden im Klärwerk nicht vollständig entfernt. Hierzu gehören Hepatitis-A-, Polio- und Papillomaviren sowie Adeno-, Rota- und Noroviren. Für all diese Erreger gilt aber auch, dass der unmittelbare Kontakt von Mensch zu Mensch oder der Kontakt zu kontaminierten Oberflächen der überaus wahrscheinlichere Übertragungsweg ist.
Im Trinkwasser – so sagt es die Trinkwasserverordnung – dürfen Krankheitserreger nicht in Konzentrationen enthalten sein, die eine Schädigung der menschlichen Gesundheit besorgen lassen. Es ist Aufgabe der Wasserversorger, Infektionen durch Viren und andere Erreger über das Trinkwasser zu verhindern. Dafür sorgen wir durch peinliche Hygiene im Wasserwerk und durch das sogenannte Multi-Barrieren-Prinzip, das für die gesamte Wasserversorgung in Deutschland gilt. Es besagt, dass es im Wasserkreislauf mehrere Barrieren für Erreger oder andere unerwünschte Stoffe gibt, um diese vom Trinkwasser fernzuhalten oder sie letztlich daraus zu entfernen.
Die erste Stufe ist hier das Klärwerk, in dem in mehreren Aufbereitungsstufen das Wasser bereits so gut wie möglich gereinigt wird. Eine weitere Barriere stellt die Natur dar, in die das gereinigte Wasser abgegeben wird. Auch hier werden Erreger vernichtet und Stoffe abgebaut. Die wichtigste Barriere ist aber die sogenannte Bodenpassage, also der Weg des Wassers aus dem Oberflächengewässer durch die verschiedenen Erdschichten ins Grundwasser.
Aufgrund ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften haften Viren gut an Oberflächen wie Sand, Lehm oder Trübstoffen an und sind meist gut abfiltrierbar. Schon nach wenigen Metern Bo-denpassage hat sich die Konzentration von Viren deutlich verringert. Im Wasserwerk wird das geförderte Grundwasser noch einmal in Sandfiltern gereinigt.
Wie sicher das Trinkwasser in Berlin und Deutschland ist, zeigt die Statistik. Seit vielen Jahren gab es keine Viren-Epidemien mehr, die durch ordnungsgemäß aufbereitetes Trinkwasser verbreitet wurden.
Was heißt das für den Coronavirus?
Für den neuartigen Coronavirus (2019-nCOV) gilt das Gleiche wie für andere Viren. Der Virus wird vor allem durch Tröpfchen- und Kontaktinfektion übertragen, also zum Beispiel durch Niesen, Husten, sowie Berührungen von Mensch zu Mensch oder über Gegenstände wie Türgriffe. Bislang gibt es keinen Beleg dafür, dass der Coronavirus auch über das Trinkwasser übertragen wird. Der Erreger ist jedoch auch im Stuhl infizierter Menschen nachweisbar und kann somit theoretisch auch in die Kläranlage gelangen. Da er zu den behüllten Viren gehört, die eine geringe Stabilität aufweisen und nicht lange überleben können, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er im Multi-Barrieren-System der Trinkwasserversorgung effektiv entfernt wird und nicht ins Trinkwasser gelangt.
Wie wird das Trinkwasser auf Viren untersucht?
Eine Untersuchung auf einzelne Erreger ist nicht machbar, dafür gibt es zu viele davon. Sie ist aber auch nicht nötig, dank des sogenannten Indikatorprinzips. Das heißt, unsere Wissenschaftler und Laboranten suchen und untersuchen Organismen, die entweder eine Kontamination anzeigen oder sich vergleichbar zu möglichen Erregern verhalten. Wie oft und in welchem Umfang diese Untersuchungen zu machen sind, gibt die Trinkwasserverordnung vor. Das Indikatorprinzip hat sich seit mehr als 100 Jahren bewährt und ist ein effektiver Weg, mögliche Trinkwasserverunreinigungen schnell zu entdecken und die Bevölkerung wirksam zu schützen.
Was bedeutet das also?
Mit dem Indikatorsystem zur Trinkwasseruntersuchung und dem Multi-Barrieren-Prinzip zum Schutz des gesamten Wasserkreislaufs stellen die Berliner Wasserbetriebe – ebenso wie andere Wasserversorger – eine einwandfreie Trinkwasserqualität sicher.